Was tun, wenn man durch eine ehrliche Aussage einen Freund belastet oder durch Verschweigen zur eigenen Sicherheit beiträgt? Die Versuchung, die Wahrheit zu beugen oder sogar aktiv zu lügen, ist groß. Als Anwälte für Strafrecht wissen wir, dass die Justiz hier allerdings wenig Spielraum lässt. Wo Loyalität an ihre Grenzen stößt, drohen empfindliche Strafen für Falschaussagen und Strafvereitelung. In diesem Artikel erfahren Sie, wie klar das Strafrecht unterscheidet und womit Sie im Ernstfall rechnen müssen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nur vorsätzliche, relevante Unwahrheiten in förmlichen Verfahren sind Falschaussagen. Irrtum und Meinung bleiben straffrei.
- Strafvereitelung verlangt gezieltes, aktives Handeln oder Unterlassen, das die Ermittlungen oder Vollstreckung tatsächlich behindert.
- Geständnisse und rechtzeitige Korrekturen können beide Strafen mildern, jedoch entscheidet stets das Gericht.
Was ist eine Falschaussage – und was nicht?
Im deutschen Strafprozessrecht gilt für Zeugen und Zeuginnen grundsätzlich eine Aussagepflicht. Wer vom Gericht geladen wird, muss erscheinen und auf die gerichtlichen Fragen antworten.
Es gibt jedoch Grenzen, von denen Sie unbedingt Gebrauch machen sollten:
Das Aussageverweigerungsrecht ist das Recht eines Beschuldigten, zu einer ihm vorgeworfenen Tat keine Angaben machen zu müssen, also zu schweigen. Daneben gibt es das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52,55 StPO, das Angehörigen und nahen Verwandten eines Beschuldigten erlaubt, die Aussage zu verweigern, um sich selbst oder diese nicht zu belasten. Ein Zeugnisverweigerungsrecht haben auch bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte oder Rechtsanwälte (§ 53 StPO).
Zeugen und Zeuginnen unterliegen einer besonderen Wahrheitspflicht. Jede Aussage vor Gericht muss so wahrheitsgetreu wie möglich erfolgen, ansonsten macht man sich der Falschaussage schuldig.
Eine Falschaussage ist im strafrechtlichen Sinne und Umkehrschluss eine vorsätzlich unwahre Aussage eines Zeugen oder einer Zeugin, einer oder eines Sachverständigen oder einer Partei in einem gerichtlichen Verfahren oder vor einer Stelle, die zur eidlichen Vernehmung befugt ist, und zwar ohne dass ein Eid geleistet wurde. Die gesetzliche Grundlage bildet § 153 StGB, welcher die sogenannte uneidliche Falschaussage regelt.
Eine Meinungsäußerung, etwa ein persönlicher Eindruck, eine Einschätzung oder Bewertung, fällt nicht unter die strafbare Falschaussage, da sie sich nicht auf objektive Tatsachen, sondern auf eine subjektive Wahrnehmung bezieht. Ebenso wenig liegt eine Falschaussage vor, wenn sich ein Zeuge oder eine Zeugin ehrlich nicht erinnern kann oder seine Erinnerung lückenhaft ist. Denn die Strafbarkeit setzt den Vorsatz voraus.
Die Falschaussage ist zudem von der schwerer wiegenden Variante des Meineids zu unterscheiden. Letzterer liegt vor, wenn die unwahre Aussage unter Eid abgegeben wurde.
Wann beginnt Strafvereitelung?
Strafvereitelung beginnt immer in dem Moment, in dem jemand absichtlich oder wissentlich aktiv darauf hinwirkt, dass entweder die Strafverfolgung oder die Vollstreckung einer Strafe gegen einen anderen ganz oder teilweise verhindert oder erschwert wird. Juristisch geregelt ist der Tatbestand in § 258 des Strafgesetzbuches (StGB). Strafvereitelung erfasst sowohl aktive Handlungen als auch Unterlassungen.
Unterschieden wird dabei zwischen der Verfolgungsvereitelung, wenn gezielt verhindert wird, dass eine andere Person für eine rechtswidrige Tat bestraft oder einer Maßnahme unterworfen wird, und der Vollstreckungsvereitelung, wenn die Vollstreckung einer bereits verhängten Strafe oder Maßnahme behindert oder unmöglich gemacht wird.
Entscheidend ist: Die Handlung muss den staatlichen Strafanspruch tatsächlich behindert oder vereitelt haben. Eine bloße psychische Beeinflussung, wie Ratschläge oder moralische Unterstützung, reicht hierfür nicht aus, selbst wenn sie theoretisch geeignet erscheinen könnte, eine Strafe oder Maßnahme zu vereiteln.
Konkret kann Strafvereitelung vorliegen, wenn jemand
- Beweismittel vernichtet,
- falsche Informationen zum Tathergang liefert,
- einen Täter oder eine Täterin bewusst versteckt oder
- einem oder einer Verdächtigen zur Flucht verhilft.
Alles mit dem Ziel, die Ermittlung, Verfolgung oder Bestrafung des eigentlichen Straftäters oder der Straftäterin zu behindern.
Nicht strafbar macht sich jedoch, wer von einer vollendeten Straftat Kenntnis hat und diese lediglich nicht zur Anzeige bringt (umgangssprachlich “Mitwisserschaft”). Die Nichtanzeige einer Straftat ist nur strafbar, wenn diese erst in der Planung ist und noch bevorsteht (138 StGB).
Gut zu wissen: Wer fahrlässig (also ohne Vorsatz) eine Verurteilung oder die Vollstreckung einer Strafe behindert, , macht sich nicht strafbar.
Abgrenzung: Wo liegen die juristischen Unterschiede?
Für die Strafbarkeit einer Falschaussage reicht es nicht aus, dass eine Aussage objektiv falsch ist. Es muss nachweislich Vorsatz vorliegen, also das bewusste und gewollte Abweichen von der Wahrheit. Das Gesetz fordert, dass die Falschaussage in einem förmlichen Verfahren erfolgt, etwa vor Gericht, einem Notar oder einer anderen offiziellen Stelle, die zur Entgegennahme einer Aussage berechtigt ist. Aussagen gegenüber Polizei oder Staatsanwaltschaft sind grundsätzlich nicht von § 153 StGB erfasst, können aber in speziellen Fällen als falsche Verdächtigung (§ 164 StGB) oder Strafvereitelung verfolgt werden.
Der Tatbestand der Strafvereitelung gemäß § 258 StGB ist erfüllt, wenn jemand absichtlich oder wissentlich verhindert, dass ein anderer für eine bereits begangene rechtswidrige Tat nach dem Strafgesetz bestraft wird. Die Strafvereitelung setzt voraus, dass die Handlung objektiv auf die Verhinderung oder Erschwerung der Strafverfolgung zielt und auch einen entsprechenden Erfolg herbeiführen kann.
Eine Besonderheit besteht bei persönlichen Ausnahmen. Wer allein deshalb handelt, um sich selbst vor strafrechtlichen Folgen zu schützen oder die eigene Strafvollstreckung zu verhindern, wird nicht wegen Strafvereitelung belangt (§ 258 Abs. 5 StGB). Ebenso bleibt nach § 258 Abs. 6 StGB derjenige straffrei, der zugunsten eines Angehörigen (z. B. Ehepartner oder Ehepartnerin, Kind) die Tat begeht.
Welche Strafen drohen in beiden Fällen?
Sowohl für die Falschaussage (§ 153 StGB) als auch für die Strafvereitelung (§ 258 StGB) sieht das deutsche Strafrecht empfindliche Sanktionen vor.
Im Vergleich:
- Falschaussage (§ 153 StGB): Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe; unter Eid (Meineid) mindestens 1 Jahr Freiheitsstrafe
- Strafvereitelung (§ 258 StGB): Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahre oder Geldstrafe; im Amt mindestens 6 Monate bis 5 Jahre Freiheitsstrafe
- Geständnis/Kooperation: kann strafmildernd wirken, Entlastung möglich, besonders bei rechtzeitiger Berichtigung (Falschaussage) oder aktiver Schadensbegrenzung (Strafvereitelung)
Im Falle einer Falschaussage kann eine frühzeitige Korrektur vor Abschluss der Vernehmung zur Straffreiheit führen (§ 158 StGB). Bei Strafvereitelung kann das aktive Bemühen, den angerichteten Schaden zu halbieren oder Auswirkungen aufzuklären, strafmildernd berücksichtigt werden.
Loyalität hat ihre Grenzen – wer lügt, riskiert viel
Wer in einem Strafverfahren bewusst die Unwahrheit sagt, bringt nicht nur sich selbst in Gefahr, sondern riskiert hohe Strafen und gefährdet den Rechtsfrieden. Loyalität gegenüber Freunden und Freundinnen, Familie oder Kollegen und Kolleginnen hat dort klare Grenzen, wo Wahrheitspflicht und Gerechtigkeit im Raum stehen. Die Justiz zieht hier eine klare Linie: Falsche Aussagen und gezielte Strafvereitelung sind keine Kavaliersdelikte. Wer meint, aus Gefälligkeit lügen oder vertuschen zu dürfen, muss mit erheblichen Konsequenzen rechnen. Strafrechtlich wie persönlich.
Sind Sie von einer Falschaussage oder einer Strafvereitelung betroffen? Kontaktieren Sie unsere Kanzlei Scheerer & Maly und lassen Sie sich persönlich beraten.