Wer auf dem Heimweg nach der Arbeit abends regelmäßig durch dunkle Gassen gehen muss oder öfter im Wald joggt, gehört zu den vielen Menschen, die sicher bereits über Selbstverteidigung nachgedacht haben. Eine beliebte Wahl hierfür ist Pfefferspray, das handlich und vermeintlich einfach einzusetzen ist. Allerdings kann sich jemand, der Pfefferspray zur Verteidigung einsetzt, nicht nur nach dem Waffengesetz strafbar machen, sondern begeht vielleicht sogar eine Körperverletzung. Diese würde nicht zuletzt auch Schadensersatzforderungen in Form von Schmerzensgeld nach sich ziehen. Im Folgenden gibt Ihr Anwalt für Strafrecht in Stuttgart Ihnen einen Überblick darüber, wann von Notwehr auszugehen ist und was Sie bei einer Gerichtsverhandlung wegen Schmerzensgeld zu erwarten haben.

Das Wichtigste in Kürze
- Übersteigt der Pfefferspray-Einsatz den Rahmen der Notwehr, sind Schadensersatzansprüche möglich.
- Die Beweislast für das Vorliegen einer Notwehrsituation liegt bei dem Benutzer bzw. der Benutzerin des Pfeffersprays.
- Auch das Verletzen unbeteiligter Personen durch Pfefferspray kann zu Schmerzensgeldforderungen führen.
Die rechtliche Grundlage von Schadensersatz
Nach § 227 BGB im Zivilrecht und § 32 StGB im Strafrecht ist das Verletzen eines Angreifers bzw. einer Angreiferin nicht widerrechtlich, wenn es sich in den vorgeschriebenen Grenzen der Notwehr bewegt. Diese schreiben die Verteidigung gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff gegen sich selbst oder andere vor. In einem solchen Fall würde die durch die Notwehr geschädigte Person also auch keinen Schadensersatz erhalten. Liegt allerdings keine Notwehr nach der gesetzlichen Definition vor, dann begeht man eine Körperverletzung, wenn man sich mit Pfefferspray verteidigt. Der oder die Geschädigte würde wahrscheinlich vom Gericht Schmerzensgeld zugesprochen bekommen.
Zunächst ist also die Frage zu klären, ob es sich um Notwehr handelt. Die Beweislast hierfür trägt derjenige, der sich darauf beruft. Grundsätzlich ist gegen Notwehr sowie gegen rechtmäßige Amtshandlungen keine Notwehr möglich, in solchen Fällen ist die Sachlage oft vergleichsweise eindeutig. Damit eine Handlung als Notwehr gewertet wird, muss sie eine verhältnismäßige, objektiv erforderliche Verteidigung gegen einen nicht absichtlich provozierten, rechtswidrigen Angriff sein. Auch bei fahrlässig provozierten Angriffen ist das Notwehrrecht teilweise eingeschränkt – Pfefferspray-Einsatz ist hier oft nicht mehr von der Notwehr abgedeckt. Wichtig sind:
- Verteidigungswillen: Vorsätzliche Angriffe, auch präventive Angriffe nach Drohungen, sind keine Notwehr.
- Keine Provokation: Wer einen Angriff fahrlässig provoziert, darf sich nur beschränkt verteidigen, muss nach Möglichkeit ausweichen und sogar leichte Verletzungen hinnehmen. Die Verteidigung gegen einen vorsätzlich provozierten Angriff ist in der Regel keine Notwehr.
- Verhältnismäßigkeit: Bei der Notwehr gibt es keine Güterabwägung, alles zur Abwehr Erforderliche ist erlaubt. Exzessive Notwehr ist rechtswidrig. Wer also einen Angreifer oder eine Angreiferin mit Pfefferspray bereits abgewehrt hat und ihn oder sie dann trotzdem noch schlägt oder tritt, kann sich schadensersatzpflichtig machen.
Auch die sogenannte Putativnotwehr, also die irrige Annahme einer Notwehrlage, ist nicht gerechtfertigt. Es muss eine objektive Verteidigungssituation vorliegen, nicht nur die Angst vor einem Angriff, beispielsweise aufgrund eines komischen Blickes oder einer harmlosen Berührung. Hier drohen Schadensersatzansprüche, die allerdings durch ein geringes Verschulden des vermeintlichen Verteidigers bzw. der vermeintlichen Verteidigerin gemindert werden können.
Beweislage und Gerichtsverfahren
Grundsätzlich ist nach jedem Einsatz von Pfefferspray sowohl eine Anzeige wegen Körperverletzung als auch eine Schmerzensgeldklage möglich und erfolgt häufig auch dann, wenn man sich mit dem Pfefferspray nur gegen einen Angriff verteidigt hat. Die zivilrechtliche Grundlage für Schmerzensgeldforderungen ist § 253 BGB, der als Schadensersatz für eine Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Gewährung einer billigenden Entschädigung in Geld vorsieht. Da die Beweislast im Falle einer solchen Körperverletzung beim Verletzer bzw. der Verletzerin liegt, also bei der Person, die sich verteidigt hat, ist die Beweisführung vor Gericht sehr wichtig. Bewiesen werden muss insbesondere, dass es sich um eine Notwehrlage gehandelt hat und der Einsatz von Pfefferspray angemessen war. Die Beweislast für den Vorwurf des Notwehrexzesses liegt wiederum bei dem oder der Geschädigten.
In diesem Zusammenhang können Zeugen und Zeuginnen vor Gericht sehr wertvoll sein, wenn sie beispielsweise bezeugen können, dass der Angriff objektiv widerrechtlich und unprovoziert stattfand. Auch Videoaufzeichnungen von Handys oder öffentlichen Überwachungskameras sind hilfreich. Kann die Notwehr bewiesen werden, wird die Schadensersatzklage abgewiesen. Lässt sich hingegen die Notwehrsituation nicht beweisen, dann wird der oder die Beklagte möglicherweise vom Gericht zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Dieses liegt bei Verletzungen durch Pfefferspray üblicherweise in einer Größenordnung von 400–600 €, wobei die tatsächliche Höhe stark vom Einzelfall und der Schwere der erlittenen Augen- und Atemwegsreizungen abhängt.
Im Zivilverfahren, in dem die Schadensersatzansprüche geklärt werden, ist es üblicherweise so, dass die Seite, die den Prozess verliert, sämtliche Kosten für beide Seiten übernimmt. Gelingt es Ihnen also im Zivilprozess nicht, die Notwehrsituation zu beweisen, kommen diese Kosten zusätzlich zum Schmerzensgeld auf Sie zu.
Wie Sie Risiken vermeiden
Beim Versprühen von Reizstoffen, etwa mit einem Pfefferspray, lässt sich in vielen Situationen nicht vermeiden, dass Unbeteiligte in Mitleidenschaft gezogen werden – etwa in vollen Verkehrsmitteln, in Innenräumen und in Menschenmengen. Ein weiteres Beispiel für eine unbeabsichtigte Körperverletzung durch Reizstoffe zeigt sich an einem BGH-Beschluss aus dem Jahr 2024. In diesem Fall wehrte sich ein Mann mit Pfefferspray gegen einen unangeleinten Hund, der Sprühnebel führte aber auch zu Beschwerden bei der Halterin des Hundes. Der Frau wurde ein Schmerzensgeld zugesprochen.
Insbesondere, wenn Sie vorhaben, regelmäßig ein Pfefferspray bei sich zu führen, und es für wahrscheinlich halten, dass Sie dieses einsetzen werden, um sich etwa bei schwelenden Nachbarschafts- oder Eheproblemen mit Gewaltpotenzial oder in einer kriminalitätsbelasteten Wohngegend zu schützen, dann kann eine juristische Beratung sinnvoll sein. Für die Frage, ob es sich um Notwehr handelt oder nicht, entscheiden oft Details und der Wortlaut des Gesetzes. Halbwissen kann schnell zu straf- sowie zivilrechtlichen Konsequenzen führen. Auch bei Reisen in andere Länder sollten Sie sich unbedingt im Vorfeld zur jeweiligen Rechtslage informieren: In einigen Ländern sind die waffenrechtlichen Regelungen zu Pfefferspray strenger, in anderen wiederum lockerer als in Deutschland.
Zusammenfassung und Fazit
Der Notwehrparagraph des BGB erlaubt es Ihnen nicht, in jeder als bedrohlich empfundenen Situation mit Pfefferspray um sich zu sprühen. Der verhältnismäßige und im Sinne der eigenen Sicherheit gebotene Einsatz ist allerdings gesetzlich im Rahmen der Notwehr erlaubt und führt dann auch nicht zu Schmerzensgeldansprüchen durch Geschädigte. Wer empfindliche straf- und zivilrechtliche Folgen vermeiden möchte, setzt Pfefferspray verantwortungsvoll und nur zur Verteidigung gegen unprovozierte Angriffe ein. Sie möchten mehr über das Thema Schmerzensgeld nach einem Pfefferspray-Einsatz erfahren oder benötigen Unterstützung in einem Schadensersatzprozess? Kontaktieren Sie uns gerne für eine umfassende Beratung.